Tessin die Zweite (25.9.- 6.10.2009)
Es war mal wieder soweit, gut gelaunt startete ein, diesmal recht kleiner Haufen (Nora, Matthias, Michi, Tobi und Beni) Bergmariechen Freitag morgens vor dem Turm Richtung Tessin.
Auf dem Weg sammelten wir noch Nena in Davos ein, die sich direkt aus der Arbeit ins verlängerte Wochenende stürzte. Abends kamen wir im Regen am Camping „Piccolo Paradiso“ bei Avegno im Maggiatal an und stellten unser Zelt auf. In der Nacht regnete es heftig, allerdings sollte das, sehr zu unserer Freude, der letzte Regen für den restlichen Urlaub bleiben.
Noch etwas verschlafen machten wir uns nach einem ausgedehnten Frühstück auf den Weg zum Klettern nach Avegno Torbeccio. Im rechten Wandteil gibt es eine gute Auswahl an leichten Ein- und Mehrseilllängentouren mit plattigem Charakter. Der ideale Fels um sich wieder mal an die ungewohnte Kletterei im besten Gneis zu gewöhnen. Nach einigen Routen fuhren wir zum Zeltplatz zurück und kochten uns was zu Essen. Außerdem gönnten wir uns ein erfrischendes Bad in der Maggia, was uns gleichzeitig als Duschersatz diente, da wir keine der heißbegehrten Duschfranken besaßen.
Auch an diesem Morgen ließen wir es ruhig angehen – schließlich sind wir ja im Urlaub… Den Vormittag verbrachten wir in der tief eingeschnittenen Felsenschlucht der Maggia. Wir spannten die Slackline über eine tiefe Gumpe, sprangen und rutschten von den rundgeschliffenen Felsen und ließen uns die Sonne auf den Bauch scheinen.
Erst Matthias’ unbandiger Kletterdrang trieb uns gegen Mittag an die Felsen von Arcegno. Die überwiegend steilen Routen im Sektor „Fiamma“ bieten für jeden Geschmack etwas: Risse, Schuppen, Kanten, kleine und große Griffe. Auf dem Weg zum Parkplatz sammelten wir Holz und schürten damit abends ein Lagerfeuer neben dem Zelt.
Für Heute hatten wir uns „Monticello“ zum Klettern rausgesucht, ein ehemaliger Steinbruch mit sonnigen Plattentouren. Der untere Wandsektor lag angenehm im Schatten, weiter oben dagegen wurde man beim Klettern in der Platte regelrecht gebraten. Trotzdem waren vor allem die oberen langen 6a+ und 6b Routen sehr lohnend.
Spät Nachmittags fuhren wir zum Bahnhof in Bellinzona um Nena dort abzuliefern, denn sie musste leider schon wieder zurück nach Davos um zu arbeiten. In Bellinzona wurden auch ein paar Vorräte gekauft (Bier, Wein) bevor es zum Camping ging. Der Abend klang gemütlich beim ein oder anderen Gummibierchen aus.
Der ganze Stress der letzten Tage verlangte dringend nach einem Ruhetag. Wie dafür geschaffen ist das Nahe gelegene Bachbett bei Lavertezzo im Verzascatal. Komplett glattgeschliffene, runde Gneisplatten mit schönen Mustern und Farben laden hier zum Baden und Sonnen ein.
Wir spannten wieder unsere Slackline über eine Gumpe, testeten die zahlreichen Wasserrutschen und sprangen von der 13 ½ Meter hohen Römerbrücke ins kalte Nass. Wir schauten uns noch ein wenig im Tal um und fuhren später zum Zeltplatz zurück.
Ein neues Klettergebiet stand auf dem Programm, es ging in das wunderschöne, ruhige Tal von Onsernone, genauer nach Russo. Die Felsen sind steil und bieten eine große Außwahl an Touren im Bereich von 6a bis 7b. Von der einfachen 5c-Verschneidung, über den genialen 6b-Piazriss, der kräftig-technischen 7a bis zur (zu) glatten 7a+ Platte probierten wir alles aus.
Ziemlich platt freuten wir uns auf die Polenta zum Abendessen. Und wir haben entzwischen eine Duschtaktik entwickelt, um gratis zu duschen. Dank der zahlenden, sparsamen Duscher blieb immer wieder etwas warmes Wasser übrig. Wenn ein grünes Licht leuchtet, so hat man mindestens eine Duschsequenz frei, allerdings sollte man sich vor dem Einseifen vergewissern, ob das grüne Lämpchen immer noch leuchtet, um nicht eingeseift im Trockenen zu stehen.
Tag 7 unserer Freizeit, der Tag der großen Tour. Bereits um 7 Uhr klingelt uns der Wecker aus den Schlafsäcken. Nach dem Frühstück wird gepackt für die Scaladri-Westwand. Nora, Michi und Matthias haben sich die 11 Seillängen-Route „Arcobelano“ 6b / 11SL vorgenommen, Tobi und ich wollen „Taroc“ 6b+ / 13SL klettern. Gegen neun Uhr steigen wir ein. Die ersten 5c Längen bringen wir schnell hinter uns, dann wird’s steiler. Schließlich folgen zwei 6b+ Längen, die uns einiges abverlangen aber gemeistert werden.
Nach einer kurzen Pause schüttelt Tobi einen Siebenschläfer aus dem Baum, der direkt neben unserer Tour wächst und klettert dann weiter. Die vorletzte Länge (noch mal 6b+) war der absolute Hammer, steil und verdammt kleingriffig und trickreich. Nach etwa 4 ½ Stunden genießen wir vom Ausstieg der Tour den Ausblick ins Maggiatal. Zurück am Zeltplatz springen wir gleich zum Abkühlen in den Fluss und finden dabei Kapitän Tuut (ein tutendes Plastik-Kinder-Schiff), welches die folgenden Tage unter anderem als Wecker und Spassmacher herhielt. Pünktlich zum Abendessen sind auch die anderen drei zurück und wir lassen den Abend gemütlich am Lagerfeuer ausklingen.
Wieder Mal strahlt die Sonne an diesem Morgen vom blauen Himmel. Bestes Badewetter, also noch mal ins Verzascatal! Nachmittags holte uns der Schatten ein und wir verlagerten unseren Pausentag an einen schönen Sandstrand am Lago Maggiore, wo wir bis abends die warme Sonne genießen konnten.
Ab und zu wurde der Genuss von Matthias’ immer noch ungestillten Kletterdrang gestört, doch wir konnten ihm schließlich klar machen, dass wir einfach nur hier sitzen bzw. liegen wollten J.
Nach einer etwas längeren Autofahrt nach Malvaglia, einem sehr schönen Klettergebiet hoch oben im lichten Kastanienwald gelegen, trafen wir dort Ama, Daria und Nena. Hier gibt’s unter anderem superschöne, teils steile Rissklettereien. Wir kletterten den ganzen Tag, bis die Sonne hinterm Berg verschwand und es langsam dunkel wurde.
An unserem letzten Klettertag besuchten wir den Sektor „Gufetto“ in Arcegno. Es war Sonntag und dementsprechend ziemlich voll und laut. Wir begnügten uns mit wenigen, aber lohnenden Routen und lagen viel auf dem sonnigen Gneisbuckel neben der Wand, von wo aus man einen wunderschönen Blick in die Berge und auf den See hat.
Am Zeltplatz gabs lecker Essen und als es Dunkel war, machten wir uns auf zum Mondlichtklettern an der Ponte Brolla. Das war total entspannt und echt schön von der Stimmung, man brauchte nicht mal eine Lampe und die Aussicht auf die Lichter von Locarno war super! Nach Mitternacht erst krochen wir in die Schlafsäcke.
Am nächsten Morgen wurde gepackt und wir sind heimgefahren. Nach 10 Tagen Sonnenschein im Tessin kamen wir abends bei Nieselregen in Nürnberg an.
Beni Köstler im Oktober 2009