Tessin 9.3.-11.3.07
Freitag 9.3.
Um kurz vor drei geht’s im voll bepackten Corsa los Richtung Schweiz. Mal wieder recht spontan haben wir (Ama & Beni) uns entschlossen uns ein paar südliche Sonnenstrahlen einzufangen. Wohin also?
Arco warn wir schon, also ab ins Tessin. Ama ist bis in die Schweiz gefahrn, ich den Rest, glücklicherweise sind wir ohne Stau durchgekommen und waren so gegen 22 Uhr in Locarno am Lago Maggiore. Nachdem wir erst etwas desorientiert durch die Stadt gekurvt sind haben wir uns nach einer Übernachtungsmöglichkeit umgeschaut. Nach kurzer Suche sind wir ein Stück oberhalb einer kleinen Ortschaft fündig geworden: Am Ende einer kleinen Straße, in einem lichten Wald fanden wir ein Wasserhäuschen mit begrüntem Falchdach. Welch luxeriöser Biwakplatz! Schnell die zwei Bouldermatten nebeneinander gelegt und rein in die Schlafsäcke, eigentlich recht gemütlich, nur der Bach nebenan rauschte recht laut. Irgendwann werde ich durch ein Motorgeräusch geweckt… ich mach die Augen auf und seh den Lichtschein eines Autos, das Auto hält und man hört Türen patschen. Mist, wer kommt den um die Uhrzeit hier noch hochgefahren…? Erstmal weck ich vorsichtshalber den Ama, damit ich mich nicht allein gruseln muss. Beide sitzten wir jetzt aufrecht in den Schlafsäcken und warten gespannt. Schließlich wage ich einen Blick vom Dach und stell erleichtert fest, dass das misteriöse Auto zwei Gleichgesinnten gehört, die sichs gerade im Kofferraum bequem machen. Also weiterschlafen.
Samstag 10.3.
Um sieben sollte der Wecker klingeln wir wachen jedoch beide schon früher auf da ein sehr frischer Wind aufgekommen ist und ziemlich fies durch den Schlafsack bläst, brrr. Vergeblich versuchen wir noch etwas auszuharren, doch es ist einfach zu kalt, also aufstehen. Zum Felsen sind es gerade mal 5 Minuten und am Parkplatz frühstücken wir erst mal – sofern man eine kleine Schüssel Müsli als Frühstück bezeichnen kann…
Pünktlich mit der Sonne erreichen wir den Wandfuß, der Blick die Gneisplatte hinauf verspricht eine Tour, die die Bezeichnung „Genuss plus“ verdient. „Centrale“, eine 4c ist perfekt um uns ans Plattenschleichen zu gewöhnen, aus den 6 Seillängen machen wir 3 und sind recht bald oben, genießen kurz die Aussicht und seilen dann wieder ab.
Weiter geht’s ein Stück weiter rechts, gleiche Wand, anderer Sektor. Hier geht’s schon verschärfter zu, wir wagen uns in eine 6a+ und wer schon mal Platte geklettert ist, weiß was das heißt! Ama steigt die erste Länge vor – geht noch… Jetzt bin ich an der Reihe. Vom Stand komm ich noch gut weg, aber dann wird’s steil.
Keine Griffe, keine Tritte, keine Ahnung wie das gehen soll. Nach einigem probieren geb ich auf und zieh kurz an der Exe, so ists ganz einfach : ) Doch das besondere Schmankerl der Tour kommt erst noch: eine absolut geile Riesenschuppe an der man queren muss! Da kam fast schon ein bischen Yosemite – Feeling auf. Zum Ausstieg noch ne super Platte, dann sind wir oben – Traumtour!
Die nächste Tour ist gut besucht, es tümmeln sich Schweizer, Italiener, Franzosen und Deutsche dicht gedrängelt an den Standplätzen. Die Tour hat 6 Seillängen bis max. 5a und war vor allem im unteren Teil sehr lohnend.
Der Tag war nun schon fortgeschritten und wir wollten noch Brot kaufen, also sind wir nach Locarno gefahren und haben erst mal nen Parkplatz gesucht, gar nicht so leicht. Endlich was gefunden und Parkschein gelöst, komischerweiße stand auf dem schon das Datum von Übermorgen. Naja, des Blöde war, dass um kurz nach fünf schon kein einziger Supermarkt mehr offen hatte. Zum Glück haben wir aber einen kleinen Bäcker gefunden, so dass wir wenigstens Brot kaufen konnten. Noch schnell ein teures Eis verputzt und es wurde wieder mal Zeit sich über die kommende Nacht Gedanken zu machen. Schließlich fanden wir einen Parkplatz am Stadtrand in der Nähe vom See, wo wir uns den Corsa wohnlich einrichteten. Ich hab mittlerweile nen Riesenhunger bekommen, ham ja bisher auf ein Minimüsli nichts gegessen – da knurrt mein verwöhnter Zivimagen dann doch ganz schön laut. Also fix zwei große Portionen Tortellini mit Soße geköchelt und danach ins „Bett“. Allerdings war davor noch Füße waschen angesagt, sonst wären wir wohl gestorben… Trotz zurückgekurbelter Lehne sehr ungemütlich, ich war kurz davor mich mit der Matte vors Auto zu legen, aber des war mir dann doch zu kalt.
Sonntag 11.3.
Recht bald stehn wir auf und machen uns auch gleich auf den Weg Richtung Gotthard. Nicht weit von der Autobahn liegt, hinter einem idyllischen Bergdorf das Klettergebiet „Freggio“ und da wollten wir heute hin. Wir hatten uns die „Via Veterano“ rausgesucht, eine 24 Seillängentour im Grad 5c+. Im Führer ist diese als längste und sehr beliebte Tour des Tessins beschrieben. Also haben wir und mit dem Frühstück (diesmal richtiges Frühstück J) auf den Crashpads (die wir übrigens ursprünglich zum Bouldern mitgenommen hatten…) beeilt, um vor dem großen Andrang einzusteigen. Doch schon am Wandfuß kommen zwei andere Seilschaften und wir schaffen es gerade noch, als erste loszuklettern. Dicht gefolgt von einer Schweizer Seilschaft und einer Altherrenseilschaft (beide schon um die 70), ebenfalls aus der Schweiz. Die ersten 6 Längen werden mehr zum Wettlauf als zur Genusskletterei, der Fels flog nur noch so an uns vorbei, fast wie bei ner Speedbegehung : ) Nachdem wir eine Dreierseilschaft aus Italien überholt haben und die jüngeren Schweizer vorbeigelassen haben wurde es allmählich ruhiger.
Wir kletterten Seillänge an Seillänge, die eine schöne, die nächste weniger. Nach einer schönen Querungslänge entschieden wir uns für eine Variante der Route. Diese bestand aus 3 wunderbaren Längen im oberen fünften Franzosengrad. Steile Platten mit kleinen Griff- und Trittleisten in perfektem, rauhem Fels!
Ab dem oberen Drittel der Tour begannen dann die Fersen (Achillissehne) sehr zu schmerzen und wir legten ne kleine Fußentspannungspause ein, endlich mal raus aus den Schuhen! Die letzten paar Längen waren wenig spektakulär, aber trotzdem schön zu klettern.
Nach insgesamt knappen 6 Stunden, 600 Höhenmetern und 700 Klettermetern standen wir zufrieden am Ausstieg. Nun hatten wir uns wirklich ein Vesper in der Sonne mit Panorama verdient! Jetzt mussten wir noch etwa eine Stunde im steilen Wald absteigen. Zurück am Parkplatz machten wirs uns nochmal auf den Matten gemütlich und tranken ein paar Tassen Alpenmilch (und das in den Alpen!) ehe wir den Corsa bepackten und uns auf den Heimweg machten. Nach guten sieben Stunden Fahrt warn wir um 2 Uhr wieder in Nürnberg, totmüde aber mit vielen genialen Eindrücken aus dem Tessin im Gepäck!
Beni Köstler