Ama und Beni wollen zum Alpinklettern in die Alpen. Dazu gehört natürlich jede Menge Planen und Vorbereiten. Gebiet raussuchen, Kartenmaterial und Führer besorgen, Anreise planen, Essen einkaufen, Wettervorhersage, usw. Ein Tag sollte reichen! Spontan treffen wir uns und gehen als erstes in die Sektionsbibliothek. Dort holen wir uns Karten und Kletterführer von verschiedenen Gebieten. Nach der Sichtung des Materials im Turm entscheiden wir uns für das Wettersteingebirge. Noch kurz vor Ladenschluss Verpflegung für etwa eine Woche eingekauft und heim zum Packen. Noch am Abend ruft mich Ama an und gibt mir die Zugverbindung für morgen durch, damit sind wir ja (fast) perfekt vorbereitet. Die Ausrüstung und das Essen geht gerade so in den Rucksack, der es schließlich auf stolze 20 Kilo bringt.
Tag 1 – Anreise und Aufstieg
Gegen 9 Uhr morgens fahren wir mit dem Zug in Nürnberg los. Während der Fahrt erzählt mir Ama weniger erfreuliche Sachen über das Wetter für die kommenden Tage, er verwendet Wörter wie „kalt“ und „Regen“… positiv denken! Etwa 5 Stunden später stehen wir in Garmisch, wo wir uns im Supermarkt noch mit ein paar Kleinigkeiten eindecken. Als wir fröhlich unser Eis am Parkplatz essen, beginnt es zu Regnen … positiv denken! Der Bus bringt uns zum Skistadion, dort beginnt der Zustieg zur Oberreintalhütte. Schwer bepackt wandern wir los, unter den verwunderten Blicken der Touristen („Was ham die denn dabei, soviel braucht man ja wohl wirklich nicht für einen Sonntagsspatziergang durch die Partnachklamm“). Nach der sehenswerten Klamm werden die Leute allmählich weniger und es folgt ein sehr langer Schotterweg, der immer leicht bergauf in einem Tal entlang führt. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen. Endlich hört die Schotterstraße auf und der Weg wird etwas schöner. Aber auch steiler, über sehr viele Kehren schlängelt sich der Pfad im Wald den Berg hinauf. Auf einer Lichtung steht ein Schild und daneben ist ein großer Holzhaufen. Die gute Nachricht: es ist „nicht mehr weit“ zur Hütte, die schlechte: „tragt doch bitte einen Holzscheit bis zur Hütte!“. Der Weg ist zwar sowieso schon anstrengend, aber wir sind ja keine Unmenschen! Also packt sich jeder ein Scheit und weiter geht’s. Nach 20 Minuten kommen wir glücklich und erschöpft an. Ich hol mir noch den „Hüttenstempel“ und dann gehen wir rein. Niemand ist da, nicht mal der Hüttenwirt, wir haben die gesamte Hütte für uns! Beim Abendessen bekommen wir dann doch noch Besuch von zwei Wanderern aus Roth. Wir legen uns relativ bald schlafen, um morgen bald loszukommen. Es ist kalt aber zwei Decken sollten reichen.
Tag 2 – Kleines Abenteuer
Der Wecker klingelt … was ist das für ein Lärm? Oh nein es wird doch nicht … ein Blick aus dem Fenster bring Gewissheit: es regnet und man sieht kaum 50m weit … positiv denken! Also schnell zurück ins Bett. Ein paar Stunden später stehen wir dann doch auf und frühstücken ausgiebig. Zu meinem Geburtstag gibt’s leckere Sachen. Leider ist das Wetter immer noch nicht besser. Also warten. Nachmittags hört es auf zu regnen und der Nebel lichtet sich wenigsten so weit, dass wir die Felsen sehen können. Besser wirds nicht mehr, also los. Nach einer knappen Stunde Zustieg steigt Ama in die erste Länge der „Altherrenpartie“ (5) ein. Der Fels ist nass und kalt, so dass ich klamme Finger bekomme, als ich nachsteige. Je weiter wir hochklettern, desto trockener wird der Fels und in der Ausstiegsseillänge dürfen wir uns nach 170m sogar über trockenen Fels freuen. Die Route endet auf einem Gratrücken. Auf dessen Rückseite führt unsere Abseilpiste nach unten. Anschließend müssen wir noch ein gutes Stück über Schrofen queren und zum Schluss abklettern. Mit der Dunkelheit kommen wir zurück zur Hütte, wo uns der Hüttenwirt erwartet. Außerdem sind noch zwei nette Tschechen da, mit denen wir nach dem selbstgekochten Abendessen noch lange am Tisch sitzen und plaudern. Diesmal nehm ich mir drei Decken, weil die letzte Nacht doch recht kalt war.
Tag 3 – Großes Abenteuer
In der Früh ist es wieder sehr nebelig und frisch, doch etwas besser wie gestern. Heute kommen wir früher los, auf Empfehlung des Hüttenwirts wollen wir das „Gelbe U“ (6) machen. Nachdem wir den relativ leichten Vorbau hinter uns gelassen haben, wird’s erheblich steiler und schwerer. Eine leicht überhängende Rissverschneidung verlangt mir sowohl psychisch als auch physisch einiges ab. Hilflos und zitternd steh ich im Fels und suche vergeblich nach Löchern. Schweres Los für Franken! Irgendwie kämpf ich mich dann doch rauf zum nächsten Stand. Auch Ama guckt mich mit großen Augen an als er mit Rucksack am Stand ankommt, leicht war des net, dabei kommt die 6er Stelle doch erst viel weiter oben! Auch er kommt nun in den Genuss, ohne Zusatzgewicht eine Rissverschneidungslänge zu klettern und macht das echt souverän! Auf einem recht gemütlichen Band gönnen wir uns ne Pause und stärken uns etwas für die nächsten Klettermeter. Der Nebel wird langsam ziemlich dicht und gibt selten einen Blick ins Tal frei. Wir klettern weiter und es fängt an zu Nieseln, wir werden eins mit dem Nebel. Schnell wird’s kalt und auch der Fels ist im nu klatschnass. Ausgerechnet jetzt kommt die schwere Plattenstelle, Ama darf vorsteigen. Jetzt Regnet es richtig, ich kauer mich zum Sichern so weit wie möglich unter einen Überhang. Bin ich froh, dass ich jetzt nicht klettern muss! Obwohl Ama nicht allzu weit über mir ist seh ich ihn nicht, alles ist nur weiß. Das einzige was durch die Wand aus Wasser zu mir durchdringt sind Fluche und unverständliches Gebrummel. Kombiniert mit dem ständigen Seil ein und aus sowie längeren Pausen, in denen ich mir nicht mehr ganz sicher war, ob der Ama überhaupt noch am Seil hängt, kam ich zu dem Schluss, dass die Kletterei da oben wohl nicht allzu leicht ist. Irgendwann vernehme ich dann doch das Kommando „Stand!“ und mach mich fertig zum Nachsteigen. Über mir nur Nebel, unter mir das selbe Bild. Nach ein paar Metern erreiche ich eine kompakte, senkrechte Wandstelle … oh je. Muss ich wirklich da hoch? Amas Stimme ertönt irgendwo über mir und auch der Seilverlauf zeigt mir an, dass ich wohl keine Wahl hab. Kurz lockert sich der Nebel unter mir und ich erkenn ganz weit unten die Oberreintalhütte, ziemlich ausgesetzt hier! Bevor ich mich richtig einscheißen kann ist schon wieder alles weiß, gut so! Also los, hui, der Griff ist aber klein! Und Tritte gibt’s auch nicht … Reibung? … negativ, viel zu rutschig bei der Nässe. Hm… nochmal probieren … verdammter Rucksack. Schließlich entscheide ich mich für die technische Variante, doch viel leichter ist das auch nicht. Scheiß Rucksack! Scheiß Wetter! … NEIN, positiv denken! Am Standplatz angekommen diskutieren wir kurz über die Schwierigkeit der letzten Länge. Wir kommen zu dem Ergebnis: schwer … mindestens. Jetzt sind es nur noch zwei Längen bis zum Gipfel. Oben angekommen hört es auf zu regnen und lockert ein wenig auf. So kommen wir kurz in den Genuss die Aussicht wenigstens zu erahnen. Lange bleiben wir nicht oben, weil ein hier eisiger Wind weht, und weil wir auch wieder runter müssen. Über eine Abseilpiste in einer Rinne geht’s ein paar mal runter, bevor wir wieder an der Stelle ankommen, wo man queren und abklettern muss. Während wir unsere Gurte ausziehen und im Rucksack verstauen fängt es an zu Regen, aber wie! Es schüttet und graupelt wie aus Eimern und innerhalb von Sekunden kommen überall aus der Wand kleine Wasserfälle. So schnell wie möglich haben wir uns Regensachen angezogen und uns an den Abstieg gemacht. Jetzt bloß aufpassen, kein falscher Tritt. Der Abstieg gestaltete sich gefährlich, da der Fels jetzt nass war und dazu kam dass wir uns im Steinschlag- und Absturzgelände befanden. Immer wieder mussten wir kleinere Sturzbäche überklettern und kamen endlich am Wandfuss an. Auf den Weg zurück zur Hütte lassen wir den Tag revue passieren: 10 Seillängen; 300 Höhenmeter; gute, teils schwere Kletterei und etliche Wetterkapriolen. Beide freun wir uns schon auf ein warmes Abendessen. Diese Nacht gibt’s schon vier Decken, es ist einfach eiskalt auf der Hütte!
Tag 4 – Der Klassiker
Der morgendliche Blick aus dem Fenster zeit das gewohnte Bild: Regen und Nebel. Nur dass es noch kälter geworden ist. Nach dem recht wilden Tag gestern wollen wir heute eher was „gemütliches“ machen. Als wir am Einstieg der „Fahrradlkant’n“ (5-) stehen regnet es. Man sieht richtig, wie das Wasser den Fels runterläuft. Obwohl ich heute extra dick eingepackt bin fröstelt es mich. Der untere Teil der Route bietet uns trotz Nässe super griffigen, rauen Fels und es macht Spass zu klettern. Die Aussicht ist allerdings wie die letzen Tage auch: Nebel. Das Wetter ist doch echt be…… positiv denken! Ich habs aufgegeben daran zu glauben, dass es besser wird, doch Ama ist sehr optimistisch und schreit immer wieder „Jetzt reißt’s auf!“ und „Gleich kommt die Sonne raus!“. Ich lass ihn schreien und klettere mit klammen Fingern die nächste Länge. „Da, schau, es wird schon heller!“, ich antworte „Ja, Ama, es reißt bestimmt gleich auf!“. Auch der Ama hat jetzt kalte Finger und schaut aus, als hätte er gebadet. Im Regen queren wir unter dem alten Fahrrad, das hier in der Wand hängt. Noch ein paar mehr oder weniger aufregende Seillängen folgen, bis wir oben auf dem schmalen Grat stehen. Dort gilt es jetzt ein Stück entlangzukraxeln um zur Abseilpiste zu kommen. Nach 3-4 Abseilfahrten stehen wir zufrieden wieder am Einstieg. Wir machen uns durchgefroren auf den Rückweg zur Hütte. Nach dem leckeren Abendessen und schlechten Wetteraussichten vom Hüttenwirt geht’s ab in die Federn.
Tag 5 – Abstieg und Heimfahrt
Als es am Morgen wieder mal regnet beschließen wir noch im Schlafsack liegend heute abzusteigen. Nach dem gemütlichen Frühstück packen wir unsere Sachen und verabschieden uns vom Hüttenwirt. Im strömenden Regen steigen wir ab und erreichen gegen Mittag Garmisch. Dort gönnen wir uns eine warme Mahlzeit beim Italiener und fahren dann mit dem Zug zurück nach Nürnberg.
Beni Köstler