Nach den letzten etwas kurzfristigen Vorbereitungen und Umplanungen starteten Marco und Ich im Februar unsere Reise nach Marokko. Per Mitfahrgelegenheit ging es nach Frankfurt, wo wir freundlicherweiße den Abend bei Theresa aufgenommen wurden.
Da bereits um 3 Uhr morgens die Odysee zum Flughafen Hahn begann, entschlossen wir uns, gleich wach zu bleiben. Nach einigen Stunden im Bus und am Flughafen hoben wir gegen 7 Uhr endlich ab und landeten etwa 4 Stunden später in Marrakesh.
Die Schwelle von Europa nach Afrika befindet sich am Ausgang des Flughafens: kaum steht man auf der Strasse, schon kommen Männer in hellen Gewändern auf uns zu und bieten uns ihr Taxi in die Stadt an… Noch sehr unerfahren von marokkanischer Geschäftstüchtigkeit steigen wir ein und lassen uns durch den chaotischen Verkehr, wo sich Esel und Fahrräder die Fahrbahn mit Autos, Bussen, Mopeds und Kamelen teilen, zum Busbahnhof fahren. Kulturschock vorporgrammiert: Bevor wir aus dem Auto aussteigen ist unser Gepäck bereits auf den Wagen eines Freundes oder Verwandten des Taxifahrers verladen, und wir haben unsere Bustickets von irgendjemand auf der Strasse gekauft. Die Verständigung beschränkt sich auf wenige Brocken Französisch und Ortsnamen. Wir werden durch Menschengewusel zu einem Bus geführt, wo wir warten sollen. Erstmal Ruhe, wir besorgen uns Wasser und kaufen Gebäck von den umherlaufenden Händlern, ständig will uns jemand Buskarten oder sonst was verkaufen. Das Treiben am Busbahhof ist unglaublich, jeder schreit irgendwelche Ortsnamen, überall wird gehandelt und verkauft, Busse rangieren wie verrückt durch die Leute und dann läuft plötzlich einer mit ner Ziege auf dem Arm durch die Stadt, sehr skuril!
Mit ein paar Stunden Verspätung kommt der Bus, aber hält irgendwo ganz anders, also rennen alle da hin, wir hinterher. Wir sind die einzigen Touristen an Bord, was aber sehr angenehm ist und los geht’s. Stundenlang gurken wir über Landstrassen Richtug Azilal, ständig den verschneiten, Hohen Atlas im Blick. In Azilal erwartet und bereits Youssef, der Besitzer einer Gite in Taghia (unser erstes Kletterziel im Atlasgebirge). Mit ihm hatten wir bereits von Deutschland aus E-Mail- und Telefonkontakt. Wir gehen in ein Cafe und verhandeln über den Preis für die folgenden Tage (4×4 Fahrt, Träger, Esel, Unterkunft, Bergführer,…) Schließlich einigen wir uns, machen noch einige Besorgungen und fahren mit einem Freund von Youssef im Pickup los in die Berge.
Auf kleinen Strassen und Schotterpisten geht es über Pässe ins Atlasgebirge bis wir gegen 21 Uhr Zaouiat Ahansal erreichen. Hier endet unsere Reise für heute, wir werden zu Mohammed gebracht und sehr freundlich von ihm und seiner Familie empfangen. Nach einem sehr guten Abendessen fallen wir totmüde ins Bett, was für ein Tag!
Am nächsten Morgen werden wir nach dem Frühstück bei Mohammed von Youssefs Bruder Abdala und einem Gepäckesel abgeholt. Von Zaouiat nach Taghia sind es noch etwa 2 Stunden Fußmarsch, durch ein wunderschönes Flusstal. Gegen Mittag erreichen wir den Bergort Taghia, sehr schön gelegen, umgeben von 300-800m hohen Felswänden, beeindruckend! Einfache Lehmhütten, dazwischen auf den staubigen Wegen spielen Kinder und Hühner, Katzen, Esel, Kühe, Hunde und Ziegen laufen herum. Die Gite von Youssef ist einfach aber sehr schön mit einem kleinen Zimmer, Plumsklo, mehr oder weniger warmer Dusche, Sonnenterasse und einem gemeinschaftlichen Esszimmer.
Hier in dieser idyllischen und gleichzeitig beeindruckenden Szenerie verbringen wir die nächsten Tage mit Klettern. „Au nom de la reform“ (6c) steht als erste Tour auf dem Programm. Plattige Kletterei in extrem rauhen, rötlichem und kompaktem Kalk zeichnet die Route aus. Wir klettern die ersten vier Seillängen und müssen dann leider abbrechen, da es sehr kalt und windig ist und dazu schon recht spät war (wir hatten uns davor 2 Seillängen in einer anderen Tour verstiegen und mussten wieder abseilen). Sehr schade, denn die Kletterei, das Ambiente und der Tiefblick in den schmalen Canyon zwischen Oujdad und Taoujdad ist traumhaft.
Das Wetter ist leider ziemlich durchwachsen und bringt immer wieder Neuschnee, was vor Allem die Zu- und Abstiege der Touren erschwert. Wir klettern noch eine leichtere, für Taghia-Verhältnisse plaisirartigen Tour „La rêve de Aicha“ (6a+) und machen eine schöne Schluchtwanderung. Auch für Ruhetage eignet sich die Gite von Youssef optimal, man kann bei einem leckeren Minztee das Bergpanorama von der Sonnenterasse aus genießen und dem tierischen Treiben im Ort zuschauen.
Schließlich kommt der Tag, an dem wir diesen schönen Ort verlassen, denn wir wollen noch mehr von Marokko sehen. Geplant ist eine zweitägige Wanderung durch den Hohen Atlas von Taghia nach Msmerir, begleitet von zwei sehr freundlichen Führern bzw. Trägern. Der Weg führt uns über verschneite Berberpfade, die sehr ausgesetzt und abenteuerlich sein können über einen Pass zu einer Hirtenhütte wo wir übernachten. Marco und ich schliefen allerdings im Zelt, da wir uns in der kleinen Steinhütte ohne Fenster nachdem wir Feuer geschürt hatten, wie in einer Räucherkammer fühlten.
Der nächste Tag hatte es in sich: gut 10 Stunden wanderten wir durch einsame und wunderschöne Berge und mussten uns dabei immer wieder durch tiefen Schnee wühlen. Gegen 21Uhr erreichten wir endlich unseren Zielort und damit die erste Zivilisation seit Taghia. Dort war natürlich schon eine Unterkunft organisiert, wir wurden sehr freundlcih empfangen, konnten uns duschen und hatten einen lustigen, langen Abend mit gutem Essen, selbstgebrannten Schnaps und dem ein oder anderen Dübel. Totmüde fielen wir ins Bett, leider mit der Aussicht auf sehr wenig Schlaf, denn schon um 3 Uhr morgens mussten wir den Kleinbus nehmen um weiter Richtung Todraschlucht zu kommen. Um 10Uhr morgens kamen wir in Tinerhir, einer größeren Oasaenstadt, an und gönnten uns ein ziemlich dekadentes Frühstück, das hatten wir uns nach den Torturen der letzten Tage aber auch verdient.
Tinghir und auch die Tordaschlucht waren der totale Kulturschock für uns, denn hier tümmeln sich doch sehr viele Touristen und damit leider zwangsläufig verbunden viele Marokkaner die einen übers Ohr hauen wollen. Ständig wird man angesprochen und versucht zu irgendwas zu überreden, sei es ein bestimmtes Hotel eines Bruders des Bekannten der Frau eines guten Freundes aufzusuchen, eine Stadtführung zu den Teppich- und Gewürzhändler von Freunden, die nächste Busfahrt, Teppich kaufen, Gras kaufen, Tee trinken oder was auch immer… irgendwann sehr nervig. Ein krasser Kontrast zu der ruhigen, gastfreundlichen Bergwelt von Taghia. Naja, jedenfalls fahren wir zu siebt in einem alten Mercedestaxi zum Hotel El Mansour, direkt am Eingang der Todraschlcuht und damit perfektem Ausganspunkt zum Klettern. Den Topoführer kaufen wir vor Ort direkt vom Autor und Hausmeister der Klettereien in der Todra Hassan für überteuerte 25Euro! Das Topo erinnert eher an Kinderzeichnungen, als an ein professionelle Wandskizze, dennoch hilft es zur groben Orientierung in den bis zu 300m hohen Schluchtwänden. Insgesamt verbringen wir eine gute Woche hier mit Mehrseillängenklettern in rauhem Kalk. Einige Highlits waren „Coeur de Palmier“ (6c – 5SL), Pillier du Guetteur“ (6b – 5SL), „Diedre Chibania“ (6a+ – 6SL) und die Clean Route „Arète Nord“ (5 – 7SL).
Die Todraschlucht ist schon ein schönes Gebiet, aber im Vergleich zu anderen Gebieten in Europa nichts besonderes, das Ambiente wird durch die Strasse und die Touristen in der Schlucht etwas zerstört. Am Ende unseres Todraaufenthalts, stößt Carmen zu uns und wir machen uns mit dem Bus auf den Weg nach Merzouga, einem kleinen touristischen Ort, nicht weit von der Algerischen Grenze, direkt am Rand einer kleinen Sandwüste. Unsere Unterkunft machen wir bereits als wir auf den Bus warten auf der Strasse mit irgendeinem Typen aus, der uns ein gutes Angebot macht. So werden wir gleich als wir ankommen, von einem Freund des Typen mit dem Auto abgeholt und zum Hotel gefahren, wo wir auf der Dachterasse unter Sternenhimmel übernachten, sehr schön. Am nächsten Morgen erblicken wir die Sanddünen, keine 100m vom Hotel.
Nach einem guten Frühstück erkunden wir ein wenig die Dünen und sogar hier treffen wir auf einen Schmuckhändler, der uns seine Werke präsentiert und verkaufen will. Am Nachmittag beginnt unsere Dromedartour. Zwei Stunden reiten wir auf den schaukelnden Tieren durch die Sanddünen. Ich bin sehr froh als wir unser Zeltlager erreichen, denn mein Hintern tat ganz schön weh! Zu dritt wandern wir im Sonnenuntergang auf eine große Düne und genießen einen atemberaubenden Blick mit warmen Sand zwischen den Zehen. Am Abend gabs ne feine Tajine (Gemüseschmortopf) und Lagerfeuer mit Musik.
Am nächsten Morgen reiten wir zurück und beginnen mit der Rückreise nach Marrakesh. Mit dem Nachtbus geht’s über kurvige Strassen durch den Atlas, so dass wir frühs endlich in Marrakesh ankommen.
Carmen kannte schon ein hübsches Hostel, in dem wir die letzten Nächte schlafen konnten, bzw. auf der Dachterasse. Die letzten Tage erkundeten wir die turbulenten Strassen und Märkte von Marrakesh und natürlich auch den verrückten Platz Djema el Fna.
Dann heißt es Abschied nehmen von einem sehr abwechslungsreichen Marokko und von Marco, der mit dem Zug weiter nach Spanien fährt. Carmen und ich fliegen zurück nach Deutschland.
Beni Köstler im Juli 2012