Bergell

bericht19„Is halt lang !“
(Zitat Schweizer Hüttenwirt auf die Frage „Wie is denn die Nordkante?“)


Freitag 27.7.

Perfekt ausgerüstet starten wir früh am Morgen, noch kurz vor der großen Ferienwelle in Richtung Schweiz. Die Fahrt verläuft reibungslos, am späten Nachmittag kommen wir in dem hübschen Talörtchen Bondo auf der Nordseite des Bergells an. Von dort kann man sich für umgerechnet 10 € noch mal 500 hm Aufstieg „kaufen“ und mit dem Auto weiterfahren bis zum Parkplatz. Spätestens hier mussten wir feststellen, dass wir wohl nicht alleine unterwegs sind. Massig Autos aus fast allen Ecken Europas sind hier versammelt.

Nach der Unterhaltung mit zwei jungen Ebersbergern, die gerade von der „Nordkante“ zurückkamen waren wir um einige Erkenntnisse reicher: Die ersten Kletterer sind um 6 Uhr am Einstieg und in der Tour herrscht dann „Krieg“ zwischen den Seilschaften aber die Kletterei ist „easy“ – Ama: „Na ja, dann müssmer halt um 5 Uhr am Einstieg sein!“

Equipment sortiert und Rucksäcke gepackt, es gilt, neben dem üblichen Klettergerümpel noch Essen für 10 Tage (davon 1,5 kg Schokolade) zur Hütte raufzuschleppen. Der Aufstieg verläuft recht zäh, die Sonne ist immer noch sehr warm. Gegen Abend sind wir endlich oben, bei der Cappana di Sciora auf 2120 m. „Habt’s ihr reserviert?“ fragt die Hüttenwirtin „Nö, wieso is wohl voll?“
Wir haben Glück und bekommen zwei kleine Plätzchen für die Nacht.

Samstag 28.7.

So gegen fünf stehn wir auf, frühstücken vor der Hütte und machen uns auf den Weg zur „Westkante“ an der Punta Innominata. Der Zustieg fordert Konzentration und Geschick, wir kämpfen uns fast zwei Stunden durch ein riesiges, teils steiles Geröllfeld. Der Einstieg ist schnell gefunden und die Tour belohnt uns für die Strapazen: etwa 15 Seillängen Plaisirkletterei in bestem Granitfels. Die Kletterei bietet so ziemlich alles, Platten, Kanten, Risse, Verschneidungen, jede Seillänge überrascht aufs neue mit super Kletterei, die sich bei Schwierigkeiten bis 5a und sehr guter Absicherung wirklich genießen lässt.

Vom Gipfel (2909 m) haben wir bei super Wetter einen schönen Blick auf die Berge rund um den Albigna Stausee, sowie auf die umliegenden Gipfel und Gletscher.

Jetzt folgt der unschöne Teil der Tour, Abseilen in einer steinschlaggefährdeten Rinne. Über Schotter und Schneefelder geht’s zurück zum Wandfuss. Nachmittags sind wir wieder an der Hütte. Heute gibt’s ein Deluxe – Abendessen, Cevapcici mit Gemüsereis, verdammt lecker aber leider etwas wenig.
Nach dem Essen dann die böse Überraschung, für diese Nacht bekommen wir keinen Platz auf der Hütte, es ist alles belegt, sogar der Boden im Aufenthaltsraum. Was nun? Improvisieren! Ein schützendes Felsdach ist schnell gefunden, Seilsack als Unterlage, Seile drauf, schon fertig das weiche, warme Bett… na ja… Wir ziehen uns alles an was wir haben und legen uns in Ama’s abgeranzten Biwaksack, perfekt!

 Sonntag 29.7.

Die Nacht war grausam! In der Morgendämmerung merk ich ein seltsames vibrieren neben mir, Ama spielt Handy… ich wecke ihn und frag ob er friert – „Ein bisschen, aber geht scho.“ Na gut, wenig später klingelt eh der Wecker und Ama stösst Freudenschreie aus „Juhuuu, endlich!“ Auch mir hat so früh aufstehen noch nie so viel Spass gemacht : )
Kaum gefrühstückt geht’s auch schon wieder los, durchs ewige Geröll, zum Einstieg der „Piodakante“ an der Punta Pioda (3238 m). Zusammen mit zwei italienischen Seilschaften kommen wir am Einstieg an. Anfangs wird’s am Stand manchmal eng aber später entzerrt sich der Kletterknäul. Immer wieder müssen wir recht steile Platten überwinden, die teils sehr spärlich gesichert sind. Überhaupt stecken in der Tour deutlich weniger Haken als in der gestrigen. Nach etlichen mehr oder weniger schönen Seillängen wartet die Schlüsselstelle der Tour auf uns: eine steile, kleingriffige Felsplatte, die zu allem Überfluss auch noch nass ist und im Anschluss ein kleines Dach, mit 5c+ angegeben. Da hab ich mir dacht, trittst schnell ins Schlingerl und scho bist drüber, wunderbar! Die nächsten Längen sind teilweise nicht ohne, auch die Wegfindung ist nicht ganz einfach.

Die Italiener haben sich entschlossen, abzuseilen, nachdem sie 40 min den nächsten Stand nicht gefunden haben. Nach bissl rumgesuche find ich schließlich den nächsten Stand und hol den Ama nach. Der Höhenmesser zeigt jetzt 3055 m, und laut Topo sind es nur noch etwa 3 Längen zum Gipfel. Trotzdem entscheiden wir uns nun auch umzukehren, es ist schon halb vier und wir müssen noch etwa 4 Stunden über die Tour abseilen. Außerdem haben wir schon beim Zustieg eine Wasserflasche verloren und haben beide ordentlich Durst. Schade, aber gut so, denn mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die Hütte. Geschafft köcheln wir uns lecker Abendessen und beziehen danach unser Schlafquartier am Boden im Aufenthaltsraum, besser als jedes Lager, so viel Platz und kein Schnarchen.

Montag 30.7.

Die Hüttenwirtin weckt uns gegen sieben. Nach einem gemütlichen Frühstück steigen wir zum Parkplatz ab. Da werden die nächsten Tage geplant und die entsprechende Minimalausrüstung gepackt. Im Bach gleich nebenan gönnen wir uns ein kurzes, kaltes Bad bevor wir zur Sasc Furä Hütte aufsteigen. Dort verbringen wir den restlichen Tag gemütlich auf der Sonnenterasse und entspannen uns. Abends werden die letzten, wichtigen Vorbereitungen für den großen Tag Morgen getroffen (zum Beispiel Nutellabrote für’s Frühstück schmieren). Um kurz vor acht gehen wir ins Bett.

Sasc Furä (1904 m) – dahinter Blick auf die Nordkante des Badile

 Dienstag 31.7.

3 Uhr – Der Wecker klingelt. Schnell warm einpacken und raus aus dem Schlaflager (das mittlerweile durch unseren Lärm komplett wach sein dürfte : ) ) Noch schnell das Nutellabrot verdrückt, vom Hüttenwirt verabschiedet und los geht’s.
700 Höhenmeter Zustieg in Dunkelheit warten auf uns, der Weg führt vorbei an zeltenden und biwakierenden Kletterern, die aber alle zum Glück noch schlummern. Nach etwa zwei Stunden Laufen und am Ende Klettern stehen wir an dem Punkt, den wir als Einstieg festlegen. Um 5.30 Uhr steigen wir mit dem ersten Tageslicht in die „Nordkante“ am Piz Badile ein und schon sind die nächsten am Einstieg, zwei nette junge Schweizer. Die ersten drei Seillängen klettern wir im „keep wild style“, dann endlich der erste Stand am Ringhaken. Die Standplätze sind bis auf den oberen Teil der Route gebohrt, Zwischenhaken gibt nur sehr wenige an den schwereren Passagen. Wir klettern zügig Seillänge um Seillänge, abwechselnd immer drei im Vorstieg, drei im Nachstieg. Mit den Zwischensicherungen sparen wir aus Zeitgründen, stürzen sollten wir besser nicht aber die Kletterei ist ja überwiegend einfach.

Langsam kommt die Sonne hinter den Bergen vor, trotzdem ist es noch sehr kalt, die Hände klamm. Die Kulisse ist schon jetzt atemberaubend, super Fernsicht auf Berge im Morgenlicht!

Erst im oberen Drittel der Tour werden wir von zwei Schweizern überholt, die zwei jungen Schweizer sind etwa gleichschnell. Die Kletterei macht richtig Spass und verläuft stellenweiße ausgesetzt an der Kante und später am Grat. Die letzten Längen zum Gipfel sind mühselige Gratkletterei, die komplett selbst gesichert werden muss.

Um kurz nach zwölf stehen wir nach 1000 Klettermetern auf dem Gipfel des Badile (3308 m) und genießen den überwältigenden Rundblick bei bestem Wetter. Nachdem wir unsere hungrigen Bäuche versorgt haben und uns sattgesehen haben, machten wir uns an den Abstieg. Eine Kombination aus Ablaufen und Abseilen brachte uns zum Wandfuss auf die Südseite des Berges. Von hier mussten wir noch durchs Geröll zur italienischen Gianetti – Hütte absteigen, ehe wir uns in der Sonne vor der Hütte niederlassen und noch mal einen Blick zurück auf den Piz Badile werfen konnten. Nach schwäbischen Käsespätzle gabs noch etwas Live-Action vor der Hütte. Zwei Leute reifen aus der Südwand des Badile um Hilfe, der Hüttenwirt alamierte den Heli. Der rettete die zwei aus der Wand und setzte sie an der Hütte ab. Die zwei alten Schweizer waren glücklicherweise unverletzt und hatten sich beim Abseilen verfranzt, so dass sie weder rauf noch runter kamen.

Jetzt ging es ab in den Hüttenschlafsack.

Mittwoch 1.8.

Heute steht der Rückweg zur Sasc Furä und der Abstieg ins Tal auf dem Programm, wir gehen die Sache gemütlich an. Der Weg führt über zwei Pässe steil bergauf und bergab zurück auf die Schweizer Seite des Bergells.

Nach fünf Stunden anstrengendem Wandern gönnen wir uns ein (gut, ich zwei) Stück hausgemachten Kuchen und dazu ne heiße Schokolande auf der Hütte. Nach einer sonnigen Pause steigen wir den Rest bis zum Auto ab. Hier wird gegessen, gepackt und schließlich heimgefahren. Um 1.30 Uhr kommen wir in Nürnberg an und können auf sechs wunderschöne Tage und eine geglückte Traumtour im Bergell zurückblicken!

 Beni Köstler August 2007

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