Dem Wetter ein Schnippchen geschlagen!
Donnerstag, 2.30 Uhr nachts. Die Turmtür öffnet sich und Bernhard springt herein. Innerhalb von wenigen Minuten war der Jugendbus gepackt und es konnte losgehen. Doch der Bus weigerte sich, er wollte nicht ins Gesäuse fahren. Dort regnet es ja nur die ganze Zeit und auf Rost hat er schon lange keinen Bock mehr. Lieber in den Süden, entschied er und wir konnten einfach nichts dagegen tun.
Nach knapp sechs Stunden Fahrt waren wir dann endlich da. Tessin, so wie man es sich wünscht.
Blauer Himmel, Sonnenschein und traumhafte Granitwände. Schon kurz nachdem wir provisorisch unser Basecamp eingerichtet hatten, saßen wir auch schon wieder im Bus und ließen uns auf zum ersten Felsen chauffieren. Hier fanden wir steile Touren mit ausgeprägten Risssystemen, kurze Plattenklettereien und ein paar Zweiseillängentouren.
Entsprechend geschafft waren wir alle am Abend und durchwühlten unseren wild zusammengewürfelten Haufen Essen und überlegten, was man damit alles anstellen konnte. Schließlich wollten unseren ausgehungerten Mägen auch mal wieder richtig gefüllt werden. Mit zufriedenen Bäuchen ging es dann ins Bett.
Der nächste Tag sollte uns Lochzieherfranken zu denken geben. Wir entschieden uns zu einem etwas abgelegenen Felsen zu fahren, weil doch einiges los war im Tal. Um zu unserem Ziel zu gelangen, mussten wir erst einen wilden Gebirgsbach überqueren, einen Weg den Hang hoch suchen und die ständig auf den Kopf scheinende Sonne aushalten. Dann standen wir endlich davor … eine Platte wie wir sie noch nicht gesehen hatten. Glatt, glätter, am glättesten. Nun ja, irgendwie müssen wir da hoch. Bernhard und Sven entschieden sich für eine lange 13-Seillängentour, Miri und Tobi gleich hinterher und der Rest blieb lieber bei etwas kürzeren Plattenklettereien. Man muss sagen, es ist sehr ungewohnt auf nichts zu stehen und nichts in den Händen zu haben. Aber erstaunlicherweise geht’s. Gut, nur bis zu einer gewissen Neigung, dann merkt man die Schwerkraft doch schon sehr deutlich. Als dann noch eine Gruppe Schweizer Jugendlicher ankam und eine Tour nach der anderen hochgerannt sind, mit dem Kommentar im besten Schweizerdeutsch: „Das ist der Adrenalin-Kick pur!“ waren wir schon leicht irritiert und haben uns gefragt welchen Kleber die wohl an Füßen und Händen hatten. Da war es doch besser sich abzukühlen und in den kleinen Flusslauf zu springen.
Plattenklettern ist wohl eine Kunst für sich.
Doch kaum hatten wir halbwegs ausgeschlafen, versuchten wir es wieder und siehe da, es klappte schon um einiges besser. Alle vier Seilschaften stürmten bei einer anderen Platte 13 Seillängen lang Richtung Gipfel. Die ganze Zeit die Sonne im Nacken. Die Füße schmerzen mittlerweile ungewohnt. Die Schuhe drückten in die Fersen, mit nackten Füßen abseilen zollte seinen Tribut und die Fingerkuppen waren bis auf eine Hautschicht durchgerieben. Aber der Spaß war ungebrochen. Und nach einem gemeinsamen Gipfelglück folgte der Abstieg durch ein wildes Blockfeld. Einige verbrachten die restliche Zeit damit noch ein paar steilere Routen zu versuchen, während Miri und Tobi noch eine weitere Mehrseillängentour machten, nur um bei einem scheinbar unmöglich zu überwindendem Abbruch, in dem noch zwei alte Schlaghaken steckten, umkehren mussten. Nur um unten festzustellen, dass die Tour da zum Glück schon offiziell zu Ende war.
Wieder war ein sonniger Tag vorbei und es ging ans Kochen kreativer Mahlzeiten aus dem Essenshaufen. Vier von uns waren allerdings noch nicht ausgelastet und zogen in der Dunkelheit noch mal los um noch ein bisschen zu klettern.
Den letzten Tag wollten wir natürlich auch noch so sinnvoll nutzen wie es ging. Darum standen wir extrem früh auf ( wie jeden Tag übrigens), frühstückten, packten alles zusammen und fuhren Richtung Norden. Aber nicht ohne Halt an einem weiteren Felsen zu machen. Um dahin zu kommen, mussten wir allerdings ein gutes Stück Bergauf fahren. Eine Serpentine nach der anderen ächzte sich der Bus nach oben. Die Fahrt hat sich mehr als gelohnt. Bis zu 50 Meter lange Platten und eine super Aussicht fanden wir vor. Natürlich wie alles hier im Plaisirstil abgesichert. Dort hatten wir auch ein paar lustige Begegnungen mit Schweizern. Zum Beispiel der Heidi, der die Expressen ausgegangen sind. Das hörte sich ungefähr so an (natürlich alles im besten Schweizer Dialekt):
„Ich habe keine Exen mehr!“
„Das ist ungeschickt!“, rief dann ihr Freund wieder nach oben. Herrlich. Diese Gemütlichkeit und Ruhe die die Schweizer verbreiten. Davon könnte sich manch einer in Deutschland eine Scheibe abschneiden. Jedenfalls genossen wir noch den letzten Tag in der Sonne, bevor wir uns dann auf den langen Heimweg zurück ins verregnete Deutschland machten. Den San Bernadinopass hochstauen, durch einen Tunnel und schon waren wir im Regen. Na super!
Aber eins kann man sagen, dass die Mitfahrausfahrt ein voller Erfolg war, auch wenn wir drei Stunden vor Abfahrt der Plan umschmeissen mussten, und wir statt ins Gesäuse ins Tessin gefahren sind. Es hat sich gelohnt!